PODCAST SPEZIAL: EASTSIDE HEROES trifft Mauerecho - Ein Gespräch über ostdeutsches Unternehmertum
© Dennis Chiponda
Manchmal entstehen die besten Gespräche ganz spontan. So geschehen auf dem Leipzig Lauscht Festival, wo wir die Gelegenheit nutzten, mit Dennis Chiponda vom Mauerecho Podcast im Podcast-Bus von EASY STUDIOS eine Sonderfolge aufzunehmen. Ein Gespräch über ostdeutsche Identität, Unternehmertum und die besonderen Herausforderungen und Stärken, die unsere Region prägen.
Zwei Podcast-Welten treffen aufeinander
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"Ich bin Dennis Chiponda. Ich hoste den Mauerecho Podcast - Ost trifft West bei der taz", stellt sich unser Gast vor. Während wir bei EASTSIDE HEROES den Fokus auf ostdeutsche Unternehmer und ihre Erfolgsgeschichten legen, geht es bei Mauerecho um etwas anderes: "Ich hatte diese Idee für diesen Einheitspodcast, weil ich immer das Gefühl hatte, dass die Gesellschaft immer mehr polarisiert."
Dennis' Ansatz ist es, jeweils eine Person aus Ostdeutschland und eine aus Westdeutschland einzuladen, die einen gemeinsamen Lebensbereich teilen - sei es der Beruf, ein Hobby oder eine Leidenschaft. "Es geht darum, auch über Unterschiede zu sehen: Okay, deswegen können wir aber zusammenwachsen, weil wir unterschiedliche Kompetenzen haben und die wieder zusammenführen können."
Der Zinseszins-Effekt in der ostdeutschen Wirtschaft
Ein zentrales Thema unseres Gesprächs war die wirtschaftliche Ausgangssituation nach der Wende. Sebastian brachte das Bild des Zinseszins-Effekts ein:
"Ich mag immer das Bild von Zins und Zinseszins. Jemand, der aus Westdeutschland kam, hatte einen finanziellen Background, hatte seine Familie, gegebenenfalls schon einen Hof. Der konnte einen Kredit mit geringeren Zinsen bekommen. Dementsprechend konnte derjenige viel mehr aufbauen in kürzerer Zeit. Das ist der Zinseszins. Der kann in kürzerer Zeit mehr aufbauen als der Ostdeutsche."
Diese Benachteiligung zieht sich bis heute durch viele Bereiche. "Der Unterschied zwischen jemandem, der zur Wende 20 war, ist jetzt nach 35 Jahren eklatant, wenn ich das nach oben rechne. Das ist den meisten Leuten gar nicht bewusst", ergänzt Sebastian.
Dennis übertrug diesen Gedanken auf die Zivilgesellschaft: "Diese Strukturen, diese Connections, diese Netzwerke, wo du weißt, welche Töpfe wo kommen - auch zivilgesellschaftliche Organisationen haben ja Kapital. Und das konnte über viele Jahre wachsen. Deswegen können die anders Projektmittel finanzieren."
"Wem gehört der Osten?"
Ein weiteres Problemfeld, das wir diskutierten, betrifft die Eigentumsverhältnisse in Ostdeutschland. Sebastian verwies auf eine MDR-Reportage mit dem Titel "Wem gehört der Osten?", die zu dem Schluss kam: "Der Osten gehört dem Westen."
Dies wirkt sich konkret auf die regionale Förderung aus: "Selbst wenn ein Geschäftsführer aus dem Westen kommt und der hat aber seine Familie noch im Westen, dann unterstützt er den Sportverein dort, aber nicht dort, wo er tätig ist. Das geht durch alle Strukturen durch, dass bei uns in Ostdeutschland viel weniger Geld für Sportsponsoring, Kultursponsoring ausgegeben wird."
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Die Stärken der ostdeutschen Perspektive
Doch unser Gespräch drehte sich nicht nur um Defizite. Dennis brachte einen wichtigen Punkt ein, den er das "Integrationsparadoxon" nennt. Es geht nicht darum, dass Ostdeutsche wie Westdeutsche werden müssen. Vielmehr geht es um einen gegenseitigen Austausch:
"Es geht gar nicht darum, dass wir werden müssen wie der Westen, weil wir eine ganz andere Kultur, ganz andere Sozialisierung haben. Und das ist gut! Das schafft Innovation in Form von anderen Erfahrungen, die wir gemacht haben und die wir mit an den Tisch bringen können."
Ein konkretes Beispiel: "Unsere Eltern haben meist schon mal mitgemacht, was es bedeutet, wieder auf die Füße kommen zu müssen und wie man das auch schaffen kann. Wenn man sich heute die Lausitz anguckt - aus einem Braunkohle-Revier wird eine Tourismushochburg. Das gibt es so im Pott nicht. Da könnten wir eigentlich Erfahrungen mitbringen."
Dennis fasst zusammen: "Wir haben ganz breite Kompetenzen, die wir jetzt aber auch selbstbewusst als Ostdeutsche nach außen tragen müssen."
Freiräume als ostdeutscher Vorteil
Sebastian hob hervor, dass die Umbruchsituation nach der Wende auch Chancen bietet: "Ostdeutschland bietet unglaublich viele Spielräume, gewisse Sachen auszutesten. Wir sind jetzt im Moment gerade im Werk 2 in Leipzig, was eine alte Industriehalle ist, die dann umgebaut worden ist zu einer Veranstaltungslocation. Und das findet man eigentlich nur in Ostdeutschland."
Dennis ergänzte: "Der Osten ist ja auch so ein Festival-Hochland, weil es hier diese Freiräume gab. Als ich vor sieben Jahren nach Leipzig gekommen bin, war das so spannend, weil nicht überall, wo du aktivistisch tätig sein wolltest, schon jemand war. Du hattest noch Space und Raum, dein eigenes zu machen."
Nachwende-Generation und Gründungsmentalität
Wir sprachen auch über die Mentalitätsunterschiede in Bezug auf Unternehmertum und Geldanlage. Moritz teilte seine Erfahrung: "Ich komme aus einem Familienumfeld, wo man gesagt hat: 'Mein Gott, Aktien, da ja die Finger von. Das ist was ganz Schlechtes. Angst, Angst, Angst.' Durch die Zusammenarbeit mit Hamburg, Berlin, Essen habe ich dann aber festgestellt, dass Leute in meinem Alter mit Aktien handeln und dass das für die selbstverständlich ist."
Dennis erkannte sich darin wieder: "Das ist bei mir immer noch so. Man hat da immer noch Berührungsschwierigkeiten, weil das bei mir in der Familie auch immer so war: Du kannst nur das ausgeben, was du selbst hast. Wir machen keine Schulden. Ich glaube, das ist auch so ein typisches Ostding."
Sebastian bestätigte: "Das ist interessant. Wir haben jetzt hier drei verschiedene Bundesländer, wo wir groß geworden sind - Brandenburg, Thüringen, Sachsen. Aber das ist in allen drei Bundesländern komplett gleich gewesen: Diese Reserviertheit vor Geld und auch vorm Geldverdienen. Es geht immer die Sicherheit vor. Lieber eine Ausbildung als zu gründen."
Mut zum Machen
Zum Abschluss gaben wir Dennis noch Tipps für seine eigene Gründungsidee im Bereich Diversity Management. Sebastian betonte: "Das Wichtigste ist, dass du machst, nicht großartig drüber nachdenkst, sondern wirklich erst mal loslegst. Bei Start-ups und Gründungen lernst du das Laufen beim Gehen."
Moritz ergänzte: "Businesspläne sind wichtig, aber der Businessplan ist am Ende nicht das, wie das Business ausgeht. Man muss eine krasse Dynamik mit sich bringen und Opportunist sein - diese Chancen, die sich ergeben mit dem Netzwerk und den Kontakten - daraus findest du dann deinen Weg."
Fazit
Unser Gespräch mit Dennis war genau das, was wir mit EASTSIDE HEROES anstreben: Ein offener Austausch über die Herausforderungen und Chancen des ostdeutschen Unternehmertums. Wir teilen eine Vision für Ostdeutschland, in der wir unsere einzigartigen Stärken und Erfahrungen selbstbewusst einbringen und gleichzeitig voneinander lernen.
Wir danken Dennis für das spontane Gespräch und den EASY STUDIOS für den coolen Podcast-Bus. Die gesamte Folge könnt ihr auf allen gängigen Podcast-Plattformen hören. Und wer Lust hat, sich mit uns über ostdeutsches Unternehmertum auszutauschen - auf unserer Website findet ihr einen Button, über den ihr direkt einen Termin mit uns vereinbaren könnt.