Von der Vision zum Kultursalon: Die Geschichte der Franz Mehlhose in Erfurt

Die Geschichte der Franz Mehlhose ist eine Geschichte über Mut, Vision und die Kraft der Authentizität. Was 2010 als experimenteller Kulturort in Erfurt begann, hat sich zu einer Institution entwickelt, die weit über die Grenzen der Stadt hinaus strahlt. Doch wie schafft man es, einen kulturellen Ort aufzubauen, der gleichermaßen Konzertbühne, Wohnzimmer und generationsübergreifender Treffpunkt ist?

Ralf und Phillip Neues, Franz Mehlhose Erfurt, Picture: ESH

Die Anfänge: Von der Idee zur Institution

Als Ralf und sein Sohn Phillip mit der Franz Mehlhose starteten, hatten sie vor allem eines: eine Vision. "Wir wollten immer ein Ort sein, der für alle nahbar ist, für alle zugänglich ist und mit dem sie sich irgendwo identifizieren können", erinnert sich Ralf. Der Name selbst hat historische Wurzeln - Franz Mehlhose war der ursprüngliche Betreiber des Hauses vor über 100 Jahren, der hier ein für seine Zeit progressives Kultur- und Gastronomieprojekt führte.

Die Herausforderungen waren von Anfang an immens. Banken, Berater und selbst Freunde rieten ab. Doch Ralf und Phillip hielten an ihrer Vision fest: "Du darfst niemals den Glauben verlieren an das, was du wirklich willst und für was du brennst." Diese Überzeugung sollte sich als entscheidend erweisen.

Das Konzept: Mehr als nur ein Veranstaltungsort

Was die Franz Mehlhose besonders macht, ist ihr ganzheitlicher Ansatz. Inspiriert vom Konzept der "Dorfkörm" - dem traditionellen Dorffest, bei dem alle Generationen zusammenkommen - schufen sie einen Ort, der verschiedenste Menschen zusammenbringt. "Es könnten ein fünfjähriges Kind und eine 90-jährige Oma gleichermaßen an dem Konzert Spaß haben", beschreibt Phillip die Atmosphäre.

Dabei setzen sie bewusst auf Qualität statt auf schnelle Erfolge. Bei der Auswahl der Künstler achten sie besonders darauf, "dass die Leute einen Charakter haben, dass sie das, was sie machen, wirklich mit Herzblut machen und dass sie so einen gewissen Spleen oder eine Stimme oder eine Aussage haben, die sie einzigartig macht."

Die wirtschaftliche Realität

Eine der größten Herausforderungen im Kulturbetrieb ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit. "Na klar, wirst du mit Kultur und schon gar nicht mit Sparten Geld verdienen", gibt Ralf zu bedenken. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination verschiedener Elemente: Konzerte, Gastronomie, spezielle Events wie der "Bürgermittwoch" und eine kluge Raumnutzung.

Besonders wichtig war der Erwerb der eigenen Immobilie: "Das ist so wichtig für Kulturbetriebe, weil du dann nicht abhängig bist und jederzeit gekündigt werden kannst." Diese Unabhängigkeit ermöglicht langfristige Planung und Entwicklung.

Wachstum und Entwicklung

Das Erfolgsrezept der Franz Mehlhose basiert auf dem Prinzip des organischen Wachstums. "Eine Balance ist wichtig aus Beständigkeit, Unabhängigkeit und Innovation", erklärt Phillip. Dabei folgen sie dem Grundsatz: "Es nützt nichts, dass ich am Gras ziehe, damit es schneller wächst. Es braucht seine Zeit."

Dieser Ansatz hat sich besonders in Krisenzeiten bewährt. Während der Corona-Pandemie half die über Jahre aufgebaute treue Community durch Spenden und Gutscheinkäufe. Die emotionale Bindung zwischen Publikum und Ort erwies sich als unschätzbar wertvoll.

Kulturelle Bedeutung für die Region

Die Franz Mehlhose versteht sich als Teil eines größeren kulturellen Ökosystems. "Kultur ist kein Wettbewerb. Und wir werden es nur gemeinsam hinkriegen", betont Ralf. Diese Haltung spiegelt sich in der Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen und in der Förderung junger Künstler wider.

Besonders stolz sind sie auf ihre Nachwuchsarbeit: Seit über zehn Jahren organisieren sie im Sommer eine Woche lang Bandprojekte mit Kindern. Viele dieser ehemaligen Teilnehmer kommen heute als erwachsene Gäste zurück - ein lebendiges Beispiel für nachhaltige Kulturarbeit.

Die Zukunft gestalten

Die größte Bestätigung für ihr Konzept kommt vom Publikum selbst. Ein Gast brachte es kürzlich auf den Punkt: "Ich kaufe immer total blind Windkarten. Ich weiß nie was kommt und ich freue mich aber schon total drauf, weil bis jetzt immer alles gut war." Dieses Vertrauen ist das Ergebnis jahrelanger konsequenter Arbeit.

Für die Zukunft bleiben Ralf und Phillip ihren Prinzipien treu: authentisch bleiben, organisch wachsen und die Balance zwischen kulturellem Anspruch und wirtschaftlicher Realität wahren. "Es gibt kein Allgemeinrezept", sagt Ralf, "außer du bleibst dran, du machst es, du entwickelst einen Ehrgeiz."

Fazit

Die Geschichte der Franz Mehlhose zeigt exemplarisch, wie kulturelles Unternehmertum gelingen kann. Es braucht eine klare Vision, den Mut zum eigenen Weg und vor allem Durchhaltevermögen. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Was als experiment

eller Kulturort begann, ist heute ein lebendiger Beweis dafür, dass Kultur Menschen zusammenbringen und Gemeinschaft stiften kann.

In einer Zeit, in der viele Kultureinrichtungen ums Überleben kämpfen, bietet die Franz Mehlhose ein inspirierendes Beispiel dafür, wie sich kulturelle Vision und wirtschaftliche Nachhaltigkeit verbinden lassen. Ihr Erfolg basiert nicht auf schnellen Gewinnen oder maximaler Kommerzialisierung, sondern auf der konsequenten Verfolgung ihrer Werte und dem Aufbau einer echten Community.

Die wahre Bedeutung der Franz Mehlhose liegt vielleicht genau darin: Sie zeigt, dass Kultur dann am besten funktioniert, wenn sie authentisch, inklusiv und gemeinschaftsorientiert ist. Oder wie es einer ihrer Grundsätze ausdrückt: "Die Frage ist nicht, ob Kultur systemrelevant ist, sondern ob das System kulturell-relevant ist.

 

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Sebastian Meier

Als Brückenbauer zwischen Innovation und Tradition prägt Sebastian Meier die Zukunft des ostdeutschen Unternehmertums. Seine außergewöhnliche Expertise wurzelt in zwei Welten: Als ehemaliger Leiter des Thüringer Zentrums für Existenzgründungen erkannte er die Bedeutung starker Netzwerke und brachte erstmals die relevanten Akteure der Gründungsszene an einen Tisch. Diese neugeschaffenen Synergien zwischen Wirtschaft, Forschung und Förderung wirken bis heute nach. Als Gründer führte er selbst die myGermany GmbH von der Startup-Vision zum erfolgreichen internationalen Bestandsunternehmen.

Diese einzigartige Kombination aus Startup-DNA und Institutionserfahrung macht ihn zum gefragten Sparringspartner für Unternehmer und Innovatoren. Mit EASTSIDE HEROES verfolgt er heute eine klare Mission: Die Transformation Ostdeutschlands zum dynamischen Wirtschaftsstandort der Zukunft. Sein 15 Jahre aufgebautes Netzwerk aus über 500 aktiven Unternehmenskontakten nutzt er, um etablierte Player mit innovativen Scale-ups zu verbinden und echte Wertschöpfung zu generieren.

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